Expressküche

Das seit Ende 2010 erhältliche Kochbuch Expressküche (im englischen Original 2009 unter dem Titel "Cook Express" erschienen) ist zunächst einmal ein echter 'Brocken'. Knapp 2,5 kg schwer bietet es auf 545 Seiten mehr als 700 Rezepte, die von Heather Whinney zusammengestellt worden sind. Die Herausgeberin ist eine erfahrene und erfolgreiche Food-Stylistin und Kulinarik-Journalistin (www.heatherwhinney.com) und nennt das wichtigste Kriterium für die Auswahl der Rezepte: eine durchweg möglichst geringe Zubereitungszeit.

In den letzten zwei Jahren sind eine Reihe von Kochbüchern mit ähnlichem Anspruch erschienen (zuletzt Jamie Olivers Jamie's 30 Minute Meals), und man erkennt daran ohne Zweifel einen Trend zur 'schnellen Küche', deren Notwendigkeit meist mit Zeitmangel beruflich und privat aktiver Menschen begründet wird, und zwar nach der Formel: Während der Arbeitswoche muss das Kochen in spätestens 30 Minuten erledigt sein, schneller kann es, aber länger soll es nicht dauern. Am Wochenende darf es dann ein wenig mehr sein, vor allem dann, wenn Gäste erwartet werden.

Diese Perspektive dürfte den deutschen Koch-Alltag ganz gut beschreiben; zumindest den derjenigen, die kochen und nicht nur erhitzen oder überwiegend zu Convenience-Food greifen. Und eine komplette Mahlzeit in einer Viertelstunde oder auch 30 Minuten herzustellen: Das ist schon verlockend, wenn die Zeit knapp ist. So ist denn auch die Nagelprobe für ein solches Werk, wie realistisch die Zeitangaben in der Umsetzung sind - oder ob Profis die Kochroutine von Laien nicht doch überschätzen. Ohne zu viel vorwegzunehmen kann man sagen: In diesem Buch sind die Rezepte im Vergleich zu Titeln wie den bereits erwähnten Jamie's 30 Minute Meals oder Kochen ohne Zeit von Hans Gerlach deutlich realistischer kalkuliert - dafür aber auch deutlich simpler strukturiert, oder, wie es die Herausgeberin formuliert: "Die Gerichte, die ich koche, sind einfach und bodenständig, und genau das spiegeln die Rezepte in diesem Buch wider" (S. 6). Ohne die einzelnen Buchtitel - die sich durch die jeweils originelle Konzeption eher ergänzen als miteinander konkurrieren - gegeneinander auszuspielen: Anspruchsvolle und komplexe Prozeduren brauchen Zeit, und wenn es allein um den Zeitfaktor geht, liegt Expressküche im Vergleich mit anderen auf Zeitersparnis ausgerichteten Titeln ganz vorn.

Nach der Kochbibel ist Expressküche ein zweites, seitenstarkes Kompendium zu einem erstaunlich günstigen Preis. Für knapp 30 Euro bekommt man eine Menge Rezepte und mehr: Das Buch enthält Tabellen mit Angaben zu Garzeiten, Haltbarkeiten, zur Küchenausstattung sowie Tipps zum Umgang mit dem Tiefkühler und zur Vorratshaltung. Jedes Rezept ist mit Angaben zur Vorbereitungszeit, Gar- oder Backzeit versehen, darüber hinaus werden Rezepte herausgestellt, die aus ernährungsphysiologischer Sicht besonders empfehlenswert sind, und schließlich gibt es ggf. Hinweise auf Gerichte, die sich zum Einfrieren eignen. Wer noch kein 'Kompendium' besitzt, bekommt hier eine Reihe im Alltag nützlicher Hinweise und Daten, die man immer wieder gern nachschlägt. Nicht jede/r kann auf Anhieb sagen, wie lange man ein 1,8 kg schweres Brathähnchen bei welcher Temperatur im Backofen garen sollte, und wenn man auf den ersten Blick erkennen kann, wie lange man für Zubereitung und Garen benötigt, ist das zweifellos sehr praktisch.

Expressküche ist in zwei große Kapitel aufgeteilt: "Alltagsküche" und "Kochen für Freunde"; beide Kapitel sind etwa gleich groß. In der Rubrik "Alltagsküche" findet man die folgenden Themen:

• Kalte Küche
• Extraschnell
• Huhn für jeden Tag
• 10 Ideen für …
• Schnelle Pastagerichte
• Pizzas, Quesadillas und Pfannkuchen
• Pikante Pies und Tartes
• Fleisch, Geflügel & Lachs aus dem Ofen
• Vorkochen und Einfrieren
• Aus dem Vorrat

"Kochen für Freunde" enthält:

• Vorschläge für Menüs, Picknick und Feste
• Fingerfood, Cremes und Dips
• Tapas
• Einfach Vorspeisen
• Kochen für viele
• Vom Ofen auf den Tisch
• Grillen
• Desserts
• Süßes zum Vorbereiten & Einfrieren
• Süßes für Genießer
• Kuchen und Gebäck

Die Rezepte entstammen erkennbar der modernen britischen Küche, die wiederum stark von der italienischen Küche beeinflusst ist, in Teilen aber auch Ansätze des Fusion-Food zeigt. Das lässt sich besonders in der Dessert-Rubrik feststellen, die leider sehr viele fett- und zuckerhaltige Süßigkeiten enthält wie zum Beispiel die "Karamell-Bananen-Tarte", England- und Irlandreisenden bekannt unter dem Namen Banoffee Pie, oder die zahlreichen Rezepte mit Baiser.

Fazit:

Alles in allem sind die Zutaten durchweg sehr gut zu beschaffen, und die Kochanleitungen vorbildlich strukturiert. Die Vielfalt der Rezepte, die sich tatsächlich in erstaunlich kurzer Zeit zubereiten lassen (bitte aber die Garzeiten immer mit berechnen) ist beeindruckend, ebenso wie die große Auswahl an vegetarischen und auf eine gesunde, ausgewogene Ernährung ausgerichteten Rezepten. Dieses Buch ist jeden Cent wert und wird auch in meiner Küche einen festen Platz einnehmen - ich werde es immer wieder zu Rate ziehen, wenn es zeitlich eng wird. Und wem diese Besprechung am Ende etwas zu lang erscheint, der oder dem ist Expressküche auf alle Fälle zu empfehlen.