Schwein

  • Umschau
  • Erschienen: Januar 2010
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  • ISBN: 978-3-86528-706-9
  • 240 Seiten.
Schwein
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Hermann Cölfen
551

Kochbuch-Couch Rezension vonMai 2010

Praktikabilität

Im erklärenden Teil überaus verständlich und informativ, im Rezeptteil jedoch überwiegend sehr anspruchsvoll. Für Anfänger eher nicht geeignet. Im erklärenden Teil sehr verständlich und gut nachvollziehbar, im Rezeptteil ebenfalls verständlich – an der einen oder anderen Stelle muss man allerdings Begriffe und Produkte recherchieren. Entsprechende Kenntnisse bzw. Fähigkeiten vorausgesetzt, sind die Rezepte alle durchweg gut umsetzbar. Die eine oder andere Zutat ist allerdings nicht ganz so leicht zu beschaffen.

Ausstattung

Ein sehr schönes, persönlich gemachtes Buch, und zwar vom Umschlag über das Layout bis hin zu den Fotos: sehr hochwertig – ein Spitzenprodukt.

Die Wiederentdeckung des Schweins

Ein Kochbuch rund um das Schwein – Quelle der nach wie vor in Europa am häufigsten gegessenen Fleischsorte – herauszubringen: Das ist gerade angesichts der Diskussionen um den Fleischkonsum insgesamt und die Qualität der überwiegend unter Bedingungen der Massentierhaltung erzeugten Fleisch-Produkte ein nahe liegender Gedanke. Neben den zahlreichen und zum Teil auch ausgezeichneten Kompendien zu Fleisch und Fleischgerichten (in denen es natürlich auch um Schweinefleisch geht) ist ein Kochbuch, das sich ausschließlich mit dem Schwein befasst, auf jeden Fall eine Bereicherung. Wie ist das Buch aufgebaut, und mit wem haben es die Leserinnen und Leser hier zu tun?

Nun, zunächst einmal trägt der Herausgeber des Buchs, Wolfgang Müller, die Rezepte bei. Die erläuternden und kommentierenden Texte stammen von Peter Wagner, dem Betreiber der Website . Von Beruf Musikjournalist, bezeichnet er sich, wenn er für den SPIEGEL schreibt, als "Hobbykoch Peter Wagner". Die Fotos hat Florian Bolk beigetragen, und eröffnet wird das Buch mit Vorworten von Kochkollege Dieter Müller (bekannt geworden als Chef des Restaurants "Dieter Müller" in Bergisch Gladbach, jetzt Chefkoch auf dem Kreuzfahrtschiff MS Europa) und Henning Wehland. Letzterer war mir unbekannt, hat als Rockmusiker mit Kochen auch wenig zu tun, sondern ist mit Wolfgang Müller persönlich befreundet.

Nach den Vorworten geht es gleich zur Vorstellung von Wolfgang Müller, von dem hier – und auch später – immer in der dritten Person die Rede ist. Man erfährt, dass seine gastronomische Ausbildung mit einer Metzgerausbildung begonnen hat, was er mit vielen Köchen gemein hat, und dass er sich auf Sterne-Niveau durch das eine oder andere Restaurant der Spitzenklasse gekocht hat. Müller plädiert – ganz im Sinne einer auf Nachhaltigkeit und Qualität ausgerichteten Küche – für weniger Fleisch bei höherer Qualität. Dabei orientiert er sich an einem Umgang mit Tier und Fleisch, der an alte Traditionen anknüpft, in denen das ganze Tier verwertet wird. Das Buch besteht aus drei Teilen: Zunächst werden 15 Schweinerassen vorgestellt und zwar jeweils innerhalb der Rubriken "Rasseninfo", "Charakter", "Verwandtschaft" und schließlich "Verwendung in der Küche". Dabei lässt uns Müller wissen, wie sich die einzelnen Rassen entwickelt haben, und man erfährt auch, warum bestimmte Rassen sich beim Verbrauch durchgesetzt haben und andere weniger. Insgesamt hat der Trend zu weniger fettem Fleisch bei der Entwicklung der Rassen großen Einfluss gehabt, aber dieser Trend scheint sich zur Zeit wieder ein wenig zu ändern. Es sieht so aus, als würde sich die Erkenntnis durchsetzen, dass ein zu hoher Verzicht auf Fett erhebliche Einbußen beim Geschmack nach sich zieht.

Das zweite große Kapitel mit dem Namen "Rund ums Schlachten" (gefolgt von "Zerlegen") zeigt, dass das Schlachten eines Tieres eine überaus ernsthafte und zugleich kräftezehrende Angelegenheit ist. Die Bilder in diesem Kapitel zeigen den Autor bei der Arbeit, und zwar sowohl bei den Vorbereitungen vor dem Aufschneiden des Schweins in der dampfenden Küche als auch bei der Verwertung, bis hin zur Wurstherstellung. Hierbei erfährt man auch eine ganze Menge über Müllers Arbeitsauffassung, die von hoher Sachkompetenz und ausgeprägtem Verantwortungsgefühl gekennzeichnet ist. Die Darstellung der zerlegten Schweinehälften und den einzelnen Bestandteilen eines Schweins bis hin zu den Innereien auf den Seiten 46-55 ist überaus hilfreich, wenn man bei der Lektüre von Rezepten die jeweils dort angegebenen Fleischsorten bzw. Produkte vom Schwein zuordnen möchte. Sehr schön auch die Tabelle auf den Seiten 56-57, die die Verwendungsmöglichkeiten der einzelnen Teile des Schweins übersichtlich darstellt.

Das dritte und umfangreichste Kapitel ist natürlich den Rezepten gewidmet. Aufgeteilt in die Rubriken Wurst, Vorspeisen, Zwischengerichte, Suppen, Hauptgerichte, Klassiker, Desserts und Grundrezepte stellt uns der Autor unzählige Rezepte sehr unterschiedlichen Niveaus vor. Vom belegten Bauernbrot über eine Pilzessenz mit Bratklößchen, Maultaschen, Leberspätzle und Milzschnitte bis hin zur gefüllten Schweinebrust reicht die Bandbreite der Rezepte. Müller meint es ernst mit der Verwertung aller Teile des Tieres, zum Beispiel wenn er ein Rezept für "Schweinekutteln in Champagnersauce mit geräuchertem Seeteufel" vorschlägt: Wahrlich eine gewagte Mischung, die man sich aber nicht zuletzt wegen des überaus aussagefähigen Fotos neben dem Rezept sehr gut vorstellen kann.

Nun gibt es eine ganze Reihe von Menschen, die zwar grundsätzlich gern Fleisch essen, immer wieder aber Probleme damit haben, klar definierte Bestandteile eines Tieres zu verzehren. In Form von Würsten, Bratenstücken oder Produkten wie dem Pfälzer Saumagen assoziiert das fertige Produkt nicht notwendigerweise das Tier, von dem das Fleisch stammt. Ganz anders aber sieht das aus, wenn zum Beispiel geräucherte Schweinezungen auf Steckrübengemüse mit Palffyknödeln (Siebeck nennt sie in der ZEIT 2007/12 "eine Wiener Spezialität, die selten gelingt") vorgestellt werden. Die Schweinezunge ist auf dem Rezeptfoto so präsentiert, dass man den Eindruck hat, es wird einem hier ´die Zunge rausgestreckt´. Wer dies isst, dem wird klar: Ich esse hier eine Zunge, und zwar nicht geschnitten, sondern am Stück. So etwas ist aus der Perspektive der Küche konsequent und nicht zu kritisieren, aber mit Sicherheit nicht jedermanns Sache.

Überhaupt: Die Anforderungen an die Kochkünste fürs Nachkochen sind durchweg eher hoch, und so ist dieses Kochbuch Anfängern nur sehr bedingt zu empfehlen. Dabei steckt die Herausforderung nur selten in der Beschaffung der Zutaten, sondern vor allem in deren Menge und Vielfalt der Zutaten und natürlich den zum Teil komplexen Prozeduren in den Kochanleitungen. Es ist aber ein ideales Kochbuch für ambitionierte Fortgeschrittene, denen die auf den Seiten 218-223 vorgestellten "Grundrezepte" sicher noch einmal wesentliche Basics in Erinnerung rufen.

Eine Bemerkung noch zu den Rezepten für Desserts: Selbstverständlich wandert kein Schweinefleisch in Süßspeisen, sondern die hier von Müller ausgewählten Rezepte stellen lediglich eine ´Hommage´ an das Tier dar. Das zeigt sich zum Beispiel im Rezept "Gefüllte Schweineohren mit Topfenmousse, Safranbirne und Banyulseis", wobei es sich bei den Schweineohren natürlich um das bekannte Gebäck handelt. Optisch und geschmacklich sehr gelungen auch der "Geeiste Pfälzer Saumagen mit Marzipan, Nougat und Pistazien", zu dem Gewürzfeigen und kleine Apfeltaschen gereicht werden. Insgesamt stellt dieses Kochbuch recht hohe Anforderungen an seine Leserinnen und Leser, und vor allem im Rezeptteil wird bei dem einen oder der anderen hier und da noch Recherche nötig sein, denn es gehört ja keinesfalls zum grundständigen Kochwissen, dass es sich bei Banyuls um einen Süßwein, bei Noilly Prat um Wermut und bei Boudin noir um eine spezielle (französische) Sorte der Blutwurst handelt. Hin und wieder dürfte auch die Beschaffung der einen oder anderen Zutat nicht ganz so leicht sein, etwa dann, wenn sich Perigord-Trüffel oder Damaszener Rosengelee in der Zutatenliste finden.

Fazit:

Wer Schweinefleisch mag und seine Kochkünste auf die Probe stellen oder erweitern möchte, für den ist "Schwein" ein ausgezeichnetes Buch, das man immer wieder hervorholen wird, wenn man dem Küchenalltag entfliehen und etwas Neues erproben möchte. Dieter Müller kann man auf jeden Fall zu diesem ausgezeichneten Buch gratulieren. Eine Anmerkung noch zum Co-Autor Wagner: Wenn ein Koch sich beim Schreiben Hilfe holt, dann ist daran überhaupt nichts auszusetzen, und die Zusammenarbeit zwischen Koch und Autor hat hier auch ausgezeichnet funktioniert. Ein Co-Autor sollte aber bei der Eigenwerbung deutlich zurückhaltender sein, als Wagner es hier tut. Auf seinem Portal "Kochmonster" rezensiert er sein eigenes Buch und geht auf diese Geschmacklosigkeit sogar innerhalb der Besprechung ein: "…unterstützt vom Autor dieser Zeilen, ja, ja das ist unterträgliche [gemeint ist wohl ´unerträglich´; HC] Selbstbespiegelung, aber keiner der Kochmonster-Autoren wollte das Buch vom Chef rezensieren...)". So etwas ist vollkommen indiskutabel und diskreditiert das wirklich solide gemachte und in jeder Hinsicht ausgezeichnete Buch ohne Not.

Schwein

Wolfgang Müller, Umschau

Schwein

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