Kochen ist Krieg!

  • Piper
  • Erschienen: Januar 2009
  • 2
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Hermann Cölfen
551

Kochbuch-Couch Rezension vonMai 2009

Praktikabilität

Das Buch kann ohne Vorwissen gelesen werden. Die Bereitschaft hinzuzulernen sollte aber vorhanden sein. Überaus verständlich. Wo Fachbegriffe verwendet oder Prozeduren beschrieben werden, wird alles gut erklärt. Ein Buch, das besonders für diejenigen geeignet ist, die darüber nachdenken, in der Gastronomie bzw. als Koch zu arbeiten. Aber auch für Hobbyköche empfehlenswert!

Ausstattung

Solide gemacht: Sehr schöner Satz; Hardcover mit Vorsatzblatt und Lesebändchen.

Erstaunlich; exotisch; ehrlich: Eine Rundreise durch Deutschlands Gastro-Küchen

Gregor Weber ist vor allem als Schauspieler bekannt. Er spielte Anfang dieses Jahrzehnts den trockenknödeligen Sohn in der Fernsehserie "Familie Heinz Becker", später dann im saarländischen "Tatort" den Assistenten von Kommissar Max Palu, 2006 nach dessen Pensionierung innerhalb der Serie inzwischen zum Kriminalhauptkommissar befördert. Weniger bekannt war bisher, dass er neben der Schauspielerei noch eine Ausbildung zum Koch absolviert hat, und zwar in Kolja Kleebergs Restaurant VAU in Berlin. Weber hat sich einige Zeit nach Abschluss der Ausbildung auf die Reise durch Deutschlands Profi-Küchen gemacht, um zu prüfen, wie sich der mediale Koch-Boom im Alltag der Berufsköche niedergeschlagen hat und auch, um mit den Kolleginnen und Kolleginnen zu arbeiten, die er zärtlich "heldenhafte Diener am Bauch" nennt. Die Erfahrungen aus seiner gastronomisch-praktischen Rundreise hat er in "Kochen ist Krieg" aufgeschrieben.

Das Buch beginnt mit einem Rückblick auf die Lehrzeit des Autors und einem Ausblick auf das Vorhaben: Gregor Weber wird es mit 10 überaus unterschiedlichen und auf ihre Art auch originellen Küchen zu tun bekommen. Er wird mit den anderen Köchen arbeiten und seine Erfahrungen aufschreiben. Am Ende wird ein Buch entstehen, das vor Augen führt, wie sehr sich gängige Klischeevorstellungen von der gastronomischen Wirklichkeit unterscheiden und dass die Arbeit als Profikoch kommunikativ mitunter recht derb, körperlich anstrengend und keinesfalls rund um die Uhr befriedigend ist. Immerhin hat sich ja trotz des Kochsendungs-Hypes inzwischen auch herumgesprochen, dass die tägliche Arbeit in der Restaurantküche in der Regel nichts mit der Ausnahmesituation in den Fernsehstudios zu tun hat, wo ein Spitzenkoch gut vorbereitet ein einzelnes Gericht produziert und dies dann am Ende der Bewunderung der Studiogäste überlässt. Auch das Kochen in Kochclubs oder im Rahmen privater Experimente am heimischen Herd kann entspannt und ohne großes Risiko vonstatten gehen. Wo aber mitunter Dutzende oder gar Hunderte perfekter Gerichte am Abend hergestellt werden müssen - und dies in festgelegten Zeitabständen, die durch den Strom der Gäste bestimmt werden - da herrschen andere Bedingungen.

Weber beschreibt seine Eindrücke aus einer gewissermaßen ´privilegierten´ Position heraus, die ihn für dieses Unternehmen so geeignet machen: Er ist Beobachter und Akteur zugleich. Als Gastkoch ist er notwendigerweise distanziert, als Mit-Arbeiter und Berufskollege aber auch am Geschehen beteiligt und gehört somit auf gewisse Weise dazu - zumindest für eine Zeit lang. Webers Weg führt ihn unter anderem in ein Restaurant mit italienischer Küche im Ruhgebiet, in die Kombüse einer Bundeswehr-Fregatte, auf eine nordfriesische Insel und eine 3-Sterne-Küche im Saarland - um nur einige der Stationen zu nennen. Die Haltung des Autors ist sympathisch. Er betritt jede neue Station mit der gebotenen Zurückhaltung des Neulings und schreibt auch nicht aus der Perspektive des bloßen Beobachters, sondern versucht immer wieder, im Takt des jeweiligen Teams mitzuspielen. Dabei schont er sich selbst nicht, wenn er Erfolg und Misserfolg beschreibt, macht immer wieder darauf aufmerksam, dass ein Gastkoch naturgemäß auf Grenzen stößt, zeigt aber auch, dass es Spaß macht, neue Küchen und neue Kolleginnen und Kollegen kennenzulernen. So schillernd wie die Stationen sind auch die Chefs der einzelnen Stationen mit ihren Stärken, Spezialitäten und Macken. Es wird deutlich, dass jeder Restaurantbesitzer um seine Gäste kämpft, gegen die Konkurrenz und die ewigen Widerwärtigkeiten des Gewerbes: verderbliche Ware, schwankende Preise, saisonale Abhängigkeiten (bei den Gästen und bei den Zutaten) - es wird mit jeder neuen Station, die man als Leser mit dem Autor erreicht, klarer, dass es sich um komplexe Aufgaben handelt, die in der Gastronomie bewältigt werden wollen.

Gregor Weber gelingt in diesem Buch dreierlei: Er eröffnet Einblicke in außergewöhnliche, sehr unterschiedliche Küchen, er zeigt, dass professionelles Kochen in der Gastronomie eine anspruchsvolle und oftmals unterschätzte handwerkliche Leistung darstellt und setzt schließlich auch das Verhältnis von privater und professioneller Küche ins rechte Verhältnis. Selbstverständlich gelingen in der heimischen Küche immer wieder ganz ausgezeichnete Gerichte, die durchaus auch das Niveau der Sterneküche erreichen können. Aber in "Kochen ist Krieg" wird deutlich, dass es in der Gastronomie darum geht, hohe Qualität dauerhaft und meist in großen Mengen zu produzieren, und das ist dann doch ein ganz anderes Geschäft.

Von den vielen mittelmäßigen, mäßigen oder gar schlechten Restaurants, die es natürlich auch gibt, ist in diesem Buch nicht die Rede. Die Leser erleben hier Küche auf durchweg hohem Niveau - ob mit oder ohne Sterne. Keine Frage, dass das auch anders praktiziert wird. Der Autor hält klare Worte und derbe Kritik für erlaubt und nötig, wenn Köche nachlässig sind und das Essen lieblos zusammengebrutzelt wird. Webers Buch aber ist ein Plädoyer für den zweiten und präziseren Blick auf die Leistungen eines Handwerks, das er schätzen und lieben gelernt hat. Mancher Romantiker, der die physischen und psychischen Anforderungen des Berufs unterschätzt - von den unglaublichen Arbeitszeiten ganz abgesehen -, wird bei der Lektüre erkennen, dass es neben Talent auch Durchhaltevermögen und Leidenschaft erfordert, wenn man in diesem Beruf dauerhaft arbeiten möchte.

"Kochen ist Krieg" - dieses Motto nimmt Weber am Ende des Buches ein wenig zurück. Dennoch deutet es an, dass es vor allem der Kampf mit den eigenen Kräften, Launen und Unzulänglichkeiten ist, der mitunter kriegsähnliche Ausmaße annehmen kann.

Ein wunderbares Buch von einem, der furchtlos auszog, das Kochen zu lernen und am Ende bekennt: Es war die Mühe wert.

Kochen ist Krieg!

Gregor Weber, Piper

Kochen ist Krieg!

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